Wildschweinseuche im heimischen Wald

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) kommt aus Osteuropa, wütet mittlerweile in Deutschland und bedroht nun auch die Schweiz.

Veröffentlicht am 16.12.2021

Text und Fotos: Thomas Güntert

Nachdem Anfang Oktober in einem Waldgebiet von Hemishofen zwei mit der ASP, mit der Afrikanischen Schweinepest infizierte Wildschweine gefunden wurden und es seither ein Initialsperrgebiet gibt, wurden dem Veterinäramt Schaffhausen am 2. November zwei weitere Fälle gemeldet. Die hochansteckende Viruserkrankung führt bei Schweinen fast immer zum Tod, ist für den Menschen aber völlig ungefährlich. Der Kantonstierarzt Peter Uehlinger und sein Stellvertreter Christof Haab mobilisieren aus geschulten Jägern, Forstarbeitern und Privatpersonen einen 15-köpfigen Suchtrupp zum Aufstöbern von weiteren Wildschweinkadavern. Weil ein infiziertes Wildschwein nach der Ansteckung Fieber bekommt und zur Abkühlung meist ein Gewässer aufsucht, beginnt die Suche in einem Bachtobel. In der Nähe eines Bachlaufs wird tatsächlich der erste Wildschweinkadaver gefunden, zwei weitere etwas später im Unterholz. Der Weg vom Fundort wird bis zum nächstgelegensten Zufahrtsweg für die Bergung mit rot-weissem Trassierband gekennzeichnet. Ein Bergungsteam fasst beim Veterinäramt die persönliche Schutzausrüstung und fährt mit dem Pickup in den Wald. Es schafft die Wildschweinkadaver aus dem unwegsamen Gelände und fährt sie zur tierärztlichen Kontrollstelle, wo eine Probe aus der Milz entnommen und eingeschickt wird. Dieses Szenario von Anfang November war glücklicherweise kein Ernstfall, sondern nur eine Feldübung im Rahmen der dreitägigen schweizweiten Krisenübung «NOSOS», bei der sich die kantonalen Veterinärämter zusammen mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen auf ein Krisenszenario bei einem Ausbruch der ASP vorbereiteten. Die Situation wurde von der Übungsleitung in Bern vorgegeben. Die Übung musste ohne Mobilfunknetz ablaufen und die Meldungen durch Zurufe, Signale oder zu Fuss überbracht werden. «Ich mag kein ‚man hätte sollen oder man könnte‘, in einer Feldübung sieht man wirklich, was läuft», sagte Christof Haab.

Problematisch – der komplizierte Grenzverlauf
Wenn das Ergebnis einer Beprobung positiv ausfällt, weist das Kantonale Veterinäramt in Absprache mit Jagdverwaltung und Forstamt generell einen Radius von zehn Kilometern um die Fundstelle als Sperrgebiet aus. Dort gilt ein Betretungsverbot, die Ausübung von Jagd- und Forstarbeiten sind nicht erlaubt, und die Schweinemastbetriebe müssen ihre Biosicherheitsmassnahmen massiv erhöhen. Im Übungsperimeter, der im dreigeteilten Kanton den oberen Kantonsteil umfasst, ist das jedoch nicht so einfach möglich. Weil Schaffhausen dort an die Nachbarkantone Thurgau und Zürich sowie an die Bundesrepublik Deutschland grenzt, kann der Radius nicht mit dem Zirkel gezogen werden und muss den natürlichen Hindernissen und örtlichen Begebenheiten angepasst werden. Im Übungsszenario waren jeweils ein ASP-Befund in den Thurgauer Gemeinden Wagenhausen und Diessenhofen, ein negativer Fund in Ossingen (ZH) sowie eine Wildschweinrotte am Stammerberg (ZH) erfasst. Obwohl es die Übungsleitung nicht explizit verlangte, gab es auch Absprachen mit den deutschen Behörden, um bei einem Ausbruch alle Kanäle offen halten zu können. Haab bemerkte, dass das deutsche Bundesland Baden-Württemberg bereits 80 Kilometer Zaun eingelagert hat. Die Einzäunung von einem Sperrgebiet steht auch auf Schweizer Seite zur Diskussion. «Dass der Rhein vielerorts auch Landesgrenze ist, interessiert die Wildschweine nicht, die schwimmen bei jedem Wetter `übere`» sagte Haab.

Schaffhauser Jäger sehen keine Wildschweinplage
Weil sich das ASP-Virus nur in lebendigen Zellen vermehren kann, wird ein erhöhter Abschuss von Wildschweinen als Präventionsmassnahme in Betracht gezogen. Im Kanton Schaffhausen wären dann die rund 300 Jagenden in den 44 Jagdrevieren gefordert. «Es ist nicht durchzusetzen, ein ganzes Gebiet wildschweinfrei zu schiessen, wenn die Seuche nicht da ist», sagte Haab. Wildschweine haben im Kanton Schaffhausen von März bis Juli Schonzeit, und im offenen Feld dürfen lediglich unter zweijährige Wildschweine ganzjährig geschossen werden. Patrick Wasem, Jagd- und Fischereiaufseher des Kantons Schaffhausen, sieht sich auch keiner Wildschweinplage ausgesetzt. Er weiss jedoch, dass einige Bauern mit hohen Wildschäden das ganz anders sehen. «Der Wildschweinbestand im Kanton Schaffhausen bewegt sich nicht linear, er geht von Jahr zu Jahr rauf und runter», sagte Wasem. Haab bemerkte indessen, dass man die potenzielle Gefahr des Virus immer im Hinterkopf habe, sie mit der Zeit jedoch verdränge. «Bei solch einer Übung wird einem dann aber bewusst, wie schnell es doch gehen kann, bis alles anders ist», sagte Haab.

 

Krisenübung NOSOS gegen die ASP: Bilanz

Alle zehn Jahre führt der Bund eine nationale Krisenübung zum Ausbruch einer Tierseuche durch. Anfang November bekämpften rund 300 Personen in einer Stabs- und Feldübung in 24 Kantonen einen fiktiven Ausbruch der hochansteckenden Afrikanischen Schweinepest. «Zum ersten Mal wurde eine Seuche geprobt, die von Wildtieren auf Nutztiere übertragen wird. Diese Situation ist gefährlich. Die grossflächige Ausbreitung unter den Hausschweinen konnten wir mit einschneidenden Massnahmen verhindern», bilanziert Kaspar Jörger, Übungsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung des BLV.

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