Wann lohnt sich jagen?

Frühsommer. Die Zeit der Ansitze auf den roten Bock. Ein Blick zum Himmel zeigt es: Dunkle Wolken türmen sich auf, Regen kündigt sich an. Das kann Weidmannsheil bedeuten. Denn leichter Regen ohne Wind nach langem Sonnenschein mit warmen Temperaturen, da zieht das Wild früh. Das wiederum bedeutet, rechtzeitig vor Ort und besonders aufmerksam zu sein. Auf ins Revier!

Veröffentlicht am 29.05.2023

Gemeinhin gilt trockene Hitze als suboptimal, insbesondere in der hellen Mondphase. Schwüle Hitze mag das Wild so wenig wie der Jäger. Wenn es überhaupt zieht, dann in Richtung Abkühlung. Und ein Ansitz an einer Suhle kann durchaus Überraschungen bescheren.

Allgemein gilt das reinigende Gewitter am späten Nachmittag oder frühen Abend als Schlüssel zum Jagderfolg. Aber nur wenn es vollends abgeflaut ist und keine Turbulenzen herrschen. Reichen sich dagegen mehrere Gewitter die Hand, darf man sich aufgrund der unberechenbaren Luftwirbel getrost den Weg ins Revier sparen. Im Wald und im kupierten Gelände liegen dann die Chancen allein beim Wild. Und nicht zuletzt kann Jagen während eines Gewitters lebensgefährlich sein, man sollte sein Glück nicht zu sehr herausfordern …

Starkregen zählt für den Jäger zu den grössten Negativfaktoren, besonders, wenn er über längere Zeit anhält. Beginnt es aber nach einer längeren Regenperiode aufzuklaren, kommt das Wild ebenso auf die Läufe wie beim sanft einsetzenden Regen nach einer Hitzeperiode. Wind und Wetter sind in der Regel unzertrennlich. Weht der Luftstrom bei geringen Stärken konstant aus einer Richtung, dann bleibt das Jagen berechenbar. Anders als Sauen suchen jedoch die Rehe nach Möglichkeit die windgeschützten Parteien von Wäldern, Feldgehölzen, Gräben oder Hecken auf.

Was den Jagderfolg ausmacht
Für den Jagderfolg wiederum spielt auch die Winddrift eine grosse Rolle. Bekanntlich weht es bei Hochdruckwetterlagen in der Regel aus östlichen Richtungen. Im Gebirge steigt der Wind mit zunehmender Bodenerwärmung, abends fällt er wieder. Darauf muss sich der Jäger einstellen. In den meisten Gefilden dominiert übers Jahr gesehen der Westwind. Entsprechend sind die Jagdeinrichtungen installiert. Mit dem Nordwind kann man sich in der Regel arrangieren, doch der aus Süd gilt in der Regel als kontraproduktiv.

Nachdem die Wettervorhersagen heutzutage recht verlässlich sind, treffen auch die Windprognosen weitgehend zu. So gesehen lohnt sich durchaus der Blick auf die regionalen Wetterkarten etwa im Internet oder in der Tageszeitung, bevor jagdliche Unternehmungen gestartet werden.

Wie sehr starker Wind das Verhalten des Wildes beeinflusst, durfte ich einmal als Jagdgast in einem Hochwildrevier erleben, in dem Sauen und Rotwild nicht nur zahlreich, sondern sogar am Tag ihre Fährte ziehen sollten. Bei dämpfiger Heissluft schien es nur eine Frage von Stunden, bis sich Gewitter entladen würden. Das taten sie auch im Verlauf des Nachmittags. Allerdings andernorts. Am Abend frischte der Wind derartig auf, dass er mich schliesslich auf der offenen Kanzel frösteln liess. Obwohl üppige Äsung lockte und der Waldrand Windschatten verhiess, liess sich im Laufe des Ansitzes nicht ein Stück Hochwild blicken. Lediglich zwei Rehgeissen drückten sich im allerletzten Licht im Windschutz einer Hecke herum. Die Mitjäger blieben übrigens an diesem Abend ebenfalls grösstenteils ohne Anblick. 

Der Wind, der Wind, das himmlische Kind!
Böiger Wind minimiert den Jagderfolg, weil er sich an allen Ecken und Kanten stösst und unberechenbar in sämtliche Richtungen strömt. Im Hochwildrevier schadet dann der Ansitz nur, weil er den Platz regelrecht verstänkert. Fährt der Sturm in die Kronen und brechen Äste, bleibt der Jäger schon aus Gründen der Sicherheit besser dem Revier fern. Wild wiederum meidet die Geräuschkulissen von Fallaub im Wald und durch kräftigen Wind durchgeschüttelten trockenen Maisstängeln im Feld, weil es sich beim Vernehmen gestört fühlt.

In heimischen Revieren zeigt uns der erste Schnee am Abend mehrheitlich nur die Hasen. Nach meiner Erfahrung brauchen sie wenigsten einen Tag, um sich dem veränderten Untergrund anzupassen. Schalenwild hingegen zieht bei diesen Verhältnissen ungern. Sauen lassen sich sogar regelrecht einschneien. «Rehtag» wiederum ist der zweite Schneefall, wenn unsere kleinsten Cerviden in den Stangenhölzern herumstehen und eine geringe Fluchtdistanz zum Jäger wahren. Auch bei harschem Schnee meidet Schalenwild längere Wegstrecken. Das gilt nach meiner Beobachtung ebenso für überfrierende Nässe. Bei sehr tiefen Minusgraden und Windstille wittern übrigens alle Paarhufer schlecht. Das kommt dem Pirschjäger gerade bei Pulverschnee durchaus gelegen. Für den Jagderfolg spielt demnach das Wetter schon eine tragende Rolle, doch nicht minder bedeutsam sind die Kenntnisse der Aktivitätszyklen des Wildes. Wir wissen aus Erfahrung um die hohe Sichtbarkeit des Rehwildes in der ersten Maihälfte und um das scheinbare Verschwinden zwischen Mitte Juni und Mitte Juli. In der Brunft lassen sich die Rehe den ganzen Tag über beobachten, danach bis hinein in den September machen sich zumindest die Böcke rar. Der Haarwechsel vor allem an kalten Frühjahrstagen und der Laubfall im Herbst schränken die Aktivitäten und somit die Sichtbarkeit ebenfalls auf ein bescheidenes Mass ein. Rotwild drosselt ab dem Spätherbst seinen Energiehaushalt und bewegt sich nicht mehr als notwendig. Die Sauen hingegen sind nach Einbruch der Dunkelheit nahezu überall unterwegs. Als einzige Wildart sogar bei sprichwörtlichem Sauwetter und dann sogar tagsüber. Bei hellem Mondlicht allerdings meiden sie nach Möglichkeit die Freiflächen und brechen lieber im Schlagschatten. In den ersten Tagen des abnehmenden Mondes nutzen sie gern die Dunkelphasen zwischen Tageslichtwende und Schweinesonnenaufgang. Wer also das Wetter beachtet, die individuellen Aktivitäten des Wildes kennt und sich flexibel verhält, der kann auf Weidmannsheil hoffen.

Text: Andreas Hausser, Foto: Rafal Lapinski
(erschienen in JAGD&NATUR 6/2022)

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