Der Jagd und der Natur eine Stimme gegeben

Nach elf Jahren bei JAGD&NATUR verabschiedet sich der Chefredaktor Markus Stähli. Eine intensive, spannende und lehrreiche Zeit liegt hinter ihm. Im Interview sprachen wir mit ihm nicht nur über die Erlebnisse und Herausforderungen der letzten Jahre, sondern auch über die Zukunft.

Veröffentlicht am 24.07.2023

JAGD&NATUR: Geschätzter Markus, du warst warst elf Jahre lang Chefre daktor von JAGD&NATUR, 127 Ausgaben wurden unter deiner Federführung produziert. Nun ver-lässt du die Redaktion auf eigenen Wunsch. Was waren deine Beweggründe?
Markus Stähli: Stolz und zufrieden darf ich auf fast elf erfolgreiche Jahre als Chefredaktor bei JAGD&NATUR zurückblicken. Zusammen mit einem kleinen Team und vielen freischaffenden Autorinnen und Fotografen aus ganz Mitteleuropa haben wir sehr viel erreicht im vergangenen Jahrzehnt. Getreu dem Motto «Man soll gehen, wenn es am schönsten ist» habe ich mich im vergangenen Jahr entschieden, für den letzten Abschnitt meiner Berufskarriere nochmals eine neue Herausfor-derung anzunehmen. Darauf freue ich mich sehr. 

Wie hast du diese Zeit erlebt?
Stähli: Die Zeit bei JAGD&NATUR war für mich unglaublich intensiv, spannend, lehrreich und herausfordernd. Einerseits war ich «Einzelkämpfer» und andererseits arbeitete ich Monat für Monat mit Dutzenden freischaffenden Autoren und Fotografen, allesamt Experten auf ihrem Fachgebiet, zusammen. Das ganze Jahr war bestimmt durch ein straffes Terminprogramm mit Redaktionsschluss, Inserateschluss, dem exakt fixierten Drucktermin und viele Veranstaltungen von Verbänden, Vereinen und Produzenten. Besonders geschätzt habe ich den intensiven nationalen und internationalen Austausch. 

Wie prägte dich JAGD&NATUR?
Stähli: Zugegeben, bevor ich Ende 2012 die Funktion des Chefredaktors übernahm, interessierte mich jagdlich grundsätzlich nur, was sich in meiner unmittelbaren Umgebung abspielte. Durch meine Arbeit für JAGD&NATUR entwickelte ich ein viel feineres und umfassenderes Sensorium für jagdliche Themen. Und ich musste immer wieder feststellen, wie wichtig nationale, kantonale und regionale Jagdpolitik für die Schweizer Jagd ist. Wie wir heute und in Zukunft jagen, wird nicht etwa von jagdlichen Kreisen bestimmt. Viel mehr entscheiden Bundes-, Kantons- und Gemeindepolitiker sowie Interessengruppen, die in der Regel nur sehr wenig Ahnung von Jagd und jagdbaren Wildtieren haben, über unser Tun. Ich habe in dieser Zeit mehr und mehr realisiert, dass wir Jägerinnen und Jäger – eigentlich eine kleine Minderheit, ja eine Randgruppe – an vorderster Front für Jagd, Wild und Natur Einfl uss nehmen müssen, sei dies durch vorbildliches Verhalten, professionelle Öffentlichkeitsarbeit, gezielte Lobbyarbeit oder durch persönliches politisches Engagement.

Und wie hast du JAGD&NATUR geprägt?
Stähli:
Mir war es immer ein grosses Anliegen, der Jagd, dem Wild und der Natur eine Stimme zu geben. Dies ist vor allem dank der Unterstützung kompetenter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dank des Verwaltungsrates, dank der Verleger Andreas Mohler und Markus Mehr (denen ich besonders danke), unserem Dachverband JagdSchweiz und vielen anderen Funktionären aus Verbänden und Vereinen sehr gut gelungen. In der Schweiz sind wir rund 30 000 aktive Jägerinnen und Jäger. Für die einen ist die Jagd auf den Maibock das wichtigste Ereignis des Jagdjahres, für andere zählen nur die grossen herbstlichen Bewegungsjagden auf Schwarzwild. Dann gibt es da noch die passionierten Hasenjäger, die ausgefuchsten Raubwildjäger, die flinken Vogeljäger etc. Jede und jeder von uns hat seine/ihre eigene Lieblingsjagdart, die Jagdpassion und der natürliche Trieb des Beutemachens verbinden uns jedoch alle. Es ist ein Muss, dass wir Jägerinnen und Jäger uns gemeinsam für den Erhalt all dieser Jagdarten einsetzen. Über all die Jahre habe ich versucht, unsere Leserschaft für die un-terschiedlichsten Jagdarten zu gewinnen bzw. zu sensibilisieren. Gerne erinnere ich mich dabei an unsere Reportagen zur Schwarzwild-, Rot- und Rehwildjagd, an die Schneehasenjagd, an die Schnepfen-, Birkwild- und Entenjagd, an die Raubwild-, Murmeltier- und Beizjagd … Die Schweiz ist ein kleines, aber überaus vielseitiges Jagdland. Dafür müssen wir Sorge tragen. 

Du warst zehn Jahre lang das Sprachrohr der Schweizer Jägerinnen und Jäger. Welchen Herausforderungen standest du in deiner Zeit als Chefredaktor gegenüber?
Stähli: Die Herausforderungen waren vielfältig. Auf der einen Seite gab es da die interne Kommunikation, also die Kommunikation innerhalb der Jägerschaft im Maga-zin. Und auf der anderen Seite gab es die externe Kom-munikation in Zeitungen, im Radio und im TV gegen-über der nichtjagenden Bevölkerung. Intern, d. h. im Magazin, war es mir immer wichtig, für einen regen Austausch zwischen Jägerinnen und Jägern zu sorgen. Die Rubrik «Vereine&Verbände» hat sich dafür bestens bewährt. Im Bund «Jagd&Gesellschaft» konnten wir unsere Leserinnen und Leser jeweils auf den neuesten Stand bezüglich Jagdgesetzgebung, Jagdpolitik und jagdliche Trends bringen. Für die Kommunikation gegen aussen stand ich den nichtjagdlichen Medien regelmässig für Interviews und Statements zur Verfügung. Dies meist im Herbst, da viele Journalisten davon ausgingen, dass in der Schweiz erst ab dem Herbst gejagt werde. Diese Arbeit fand ich sehr bereichernd und spannend. Denn so wurde mir immer wieder bewusst, wie wenig Wissen über die Jagd und unser Tun bei den Gesprächspartnern vorhanden ist und war. 

Seit seiner Kindheit ist Markus Stähli in der Natur unterwegs. Er ist nicht nur leiden schaftlicher Jäger, sondern auch ein begeisterter Wildtierfotograf. (Bild: Marcel Castelli)

Wie hat sich die Jagd aus deiner Sicht in den vergangenen zehn Jahren verändert?
Stähli: Unser Land und unsere Gesellschaft haben sich in den vergangenen Jahren – nicht nur seit der Corona-Pandemie – enorm verändert. Dies gilt auch für die Jagd in der Schweiz. Einerseits hält immer mehr Technik Einzug und andererseits werden die Jägerinnen und Jäger mit immer mehr Vorschriften und Aufgaben (zugunsten der Öffentlichkeit) eingedeckt. Das Miliz-System stösst dadurch mittelfristig an seine Grenzen. Ob das von gewissen Kreisen so gewollt ist, lasse ich an dieser Stelle mal so dahingestellt. Was mir besonders Freude bereitet: Die Jagd wird wieder jünger und zunehmend weiblicher. Dieser Trend ist ein eigentlicher Glücksfall und für die Zukunft der Jagd und deren Existenzberechtigung enorm wichtig.

Was macht für dich die Jagd aus?
Stähli: Für mich ist die Jagd nicht bloss ein Hobby. Sie ist vieles mehr. Jagd ist eine Lebenseinstellung. Jeder Tag im Jahr dreht sich bei mir um die Natur, die Wildtiere und die Jagd. Ich bin Jäger, weil ich Freude am Jagen habe. Und nicht zuletzt auch des leckeren Wildbrets wegen, das ich als natürliche einheimische Ressource sehr wertschätze. Mit dieser Einstellung, davon bin ich überzeugt, bin ich heute als Jäger beileibe nicht allein. 

Welche Jagd- und welche Wildart liegen dir be-sonders am Herzen?
Stähli: Ich schätze die Ansitz- und die Pirschjagd gleichermassen. Als Bergjäger geniesse ich im Besonderen die aktiven Gamsjagdtage, an denen ich während des ganzen Tages zu Fuss unterwegs bin, meist mit viel Anblick (nicht nur Gamswild) belohnt werde, mir jagdliche Strategien zurechtlegen muss, um Erfolg zu haben, immer wieder das Wetter in meine Pläne miteinbeziehe und hie und da auch an meine körperlichen Grenzen stosse. Am Abend kehre ich jeweils müde und zufrieden heim. Und wenn mir Diana hold war, ist das Ganze noch umso schöner. 
Besonders am Herzen liegen mir die heimischen Raufusshühner, also Auer- und Birkwild sowie Schnee- und Haselhühner. Sie reagieren sehr sensibel auf Veränderungen und Störungen in ihrem Lebensraum, kommen durch Freizeitaktivitäten, Massentourismus, Infrastrukturen und dergleichen mehr und mehr unter Druck, und sie können nur auf eine bescheidene Lobby zählen. Persönlich setze ich mich deshalb nach bestem Wissen und Gewissen für diese Arten ein, selbst wenn in meinem Heimatkanton nur noch das Birkwild jagdbar ist. 

Du bist aber nicht nur leidenschaftlicher Jäger, sondern auch oft als Wildfotograf mit deiner Kamera in der Natur anzutreffen. Wie kam es zu dieser Leidenschaft?
Stähli: Zusammen mit unseren Eltern waren mein Bruder und ich bereits als Kinder sehr viel draussen in der Natur unterwegs. Mein Vater war während Jahrzehnten als Fischereiaufseher auf Wegen. So oft ich konnte, habe ich ihn auf seinen Touren begleitet. Dabei kam es regelmässig zu Begegnungen mit Wildtieren. Im Alter von etwa 13 Jahren bin ich dann in meiner Freizeit allein losgezogen. Meist war ich in den heimischen Bergen unterwegs. Ich habe Gämsen angepirscht, bin Steinböcken nachgestiegen und versuchte, möglichst nah an die Munggen «heranzurobben» … Zurück im Tal habe ich dann meiner Familie und Freunden von diesen einzigartigen Erlebnissen erzählt. Und irgendwann kam der Wunsch auf, diese tierischen Begegnungen mit der Kamera festzuhalten. Anfangs musste die alte Voigtländer meines Vaters dafür herhalten, mit 19 Jahren kaufte ich mir dann die erste Spiegelreflex-Ausrüstung. Seither lässt mich die Wildtierfotografie nicht mehr los. 

Markus Stähli wurde von seiner Frau Therese in seinem Beruf und seinen ausserberuflichen Tätig-keiten immer tatkräftig unterstützt. (Bild: zVg.)

Welchen Reiz übt die Wildtierfotografie auf dich aus?
Stähli: Wenn ich Wildtiere fotografiere, fühle ich mich am Puls der Natur. Als Tierfotograf bin ich ein stiller, in der Regel bestens getarnter Beobachter. Meist führt die Natur Regie. Und meine jahrzehntelange Erfahrung und mein wildbiologisches Fachwissen helfen mir, «vorauszusehen», was sich in den nächsten Sekunden, Minuten und Stunden ereignen könnte bzw. wird. Apropos Stunden: Tierfotografie ist für mich persönlich auch Meditation. Während der Stunden des Wartens kann ich gedanklich zur Ruhe kommen und zumindest eine Weile der Hektik des Alltages entfliehen. 

Was sicherlich viele Leserinnen und Leser interessiert: Wohin zieht es dich nach JAGD&NATUR?
Stähli: Alle paar Jahre suche ich neue Herausforderungen. Das war in der Vergangenheit so und wird wohl in Zukunft auch so bleiben. Zusammen mit meiner Frau werde ich jetzt erst mal ein paar Wochen Ferien geniessen und eine kleine schöpferische Pause einlegen. Danach wage ich den Schritt (zumindest teilweise) in die Selbständigkeit. Da gibt es viele Pläne und Projekte, die schon seit einiger Zeit in meinem Kopf herumgeistern, für die mir bis anhin aber schlicht die Zeit gefehlt hat. Ich werde weiter texten, fotografieren und publizieren. Dies selbstverständlich nicht nur für mich selbst, sondern auch im Auftrag von Kunden. Darüber hinaus werde ich noch ein wenig unterrichten (Erwachsenenbildung), beraten und verschiedenste Dienstleistungen im fotografischen, kommunikativen und kaufmännischen Bereich erbringen. Ich werde also nicht kürzertreten, sondern einfach neue Wege beschreiten. 

Nun zum Schluss: Was wünschst du dir für die Zukunft der Jagd in der Schweiz?
Stähli: Ich habe immer wieder mal gesagt, wir seien Exoten, wir Jägerinnen und Jäger. Gerade mal 0,35 % der Bevölkerung jagen aktiv. Doch die gesamte Bevölkerung will und kann über die Jagd mitbestimmen, ob sie nun was davon versteht oder nicht. Ich wünsche mir, dass die Jägerinnen und Jäger noch mehr zusammenstehen und sich nicht regelmässig gegeneinander ausspielen lassen. Es lohnt sich! Und wir sollten bei jeder sich bietenden Gelegenheit, sei dies in der Männerriege, im Damenturnverein, im Fitnessstudio, im Rotary-Club oder beim Grillabend mit Freunden die Jagd und die Aufgaben von uns Jägerinnen und Jägern immer wieder zur Sprache bringen. Schliesslich tun wir viel Gutes – für die Natur und die Allgemeinheit – nur berichten wir viel zu wenig darüber.

Interview: Nathalie Homberger
Bild: Christoph Burgstaller

 

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