Ein Vierbeiner geht in Pension

Artikel über junge Jagdhunde gibt es viele. Wie sie am besten ausgebildet werden, welche Prüfungen wichtig sind und wie der Hund jagdlich eingesetzt werden sollte. Doch was ist mit unseren älter werdenden Hunden, wenn sie den Zenit ihrer jagdlichen Leistung überschritten haben? Werden sie zu «Altlasten» oder dürfen sie einen ruhigen Lebensabend verbringen?

Veröffentlicht am 25.09.2023

Die Augen werden langsam trüb, das Hören fällt zunehmend schwerer und die Hüften wollen auch nicht mehr so … Unser Labrador Ben zeigte alle Symptome des alternden Jagdhundes. Seine Leidenschaft waren Enten. Gleich dahinter kamen Fasane und Kaninchen.

Und obwohl ihm sein Körper nicht mehr so folgte, war seine Passion auch im elften Feld ungebrochen. Zu dieser Zeit sollte Ben bereits als «gesetzter Herr» auf dem Entenstrich etwas kürzer treten. Er sollte das Gefühl haben, dabei zu sein, aber dabei geschont werden. Jüngere Hunde sollten arbeiten können. «Der Alte» wurde mit einer Lederleine kurz an einen Baum gebunden, damit sein Führer andere Schützen abstellte. Kaum war er wieder zurück und die Waffe gerade geladen, fielen die ersten Schüsse und das Aufklatschen der Wasservögel war zu hören. Plötzlich gab es einen lauten, peitschenden Knall. Verwirrt sahen Hundeführer und Standnachbarn sich um: Was war passiert? Ben hatte mit einem einzigen Ruck seine Lederleine durchgerissen und war bereits unterwegs zum Wasser, um endlich seine Arbeit tun zu können. Von Abwarten – oder gar Kürzertreten – hielt er überhaupt nichts. Einweisungen oder grosse Kommandos brauchte unser «Enten-Spezialist» nicht mehr, denn er hatte in seinem Leben schon hunderte Enten apportiert. Der alte Hund versah zuverlässig und erfahren seinen Dienst – und war glücklich. Seitdem hängt die gerissene Leine als unsere (und seine) schönste Jagdtrophäe an einem Ehrenplatz im Bu?ro.

Treuer Gefährte bis zum Ende

Dennoch kam der Moment, in dem wir Ben aufgrund seines Gesundheitszustandes endgültig pensionierten. Die Entscheidung fiel uns nicht leicht, aber entweder man hätte ihn weiter jagen lassen und sein Ende wäre bald abzusehen gewesen, oder er bekam seinen wohl verdienten Lebensabend. Wir haben uns für Letzteres entschieden und jeder Tag, den der Alte munter mit seinem Rudel verbrachte, gab uns Recht. Beim morgendlichen Spaziergang hielt der Labrador noch sehr gut mit. Die Nase oft witternd in den Wind haltend, sah er manches Mal konzentriert über die Felder, ob sich dort vielleicht doch ein Hase versteckte, der aufgestöbert werden musste. Ein freundliches «Nein, Ben! Es wird heute nicht gejagt» brachte ihn dann auf den Boden der Tatsachen zurück.

Zuru?ck ins Welpenalter

Im Alltag machte sich sein fortgeschrittenes Alter allerdings immer häufiger bemerkbar. Es erinnerte dann an einen Sprung zurück ins Welpen- oder Junghundealter. Zum Beispiel das Hören: jeder, der schon mal einen jungen Hund hatte, weiss, wie viel Energie nötig ist, dem kleinen Racker beizubringen, dass ein Pfiff oder Kommandos wie «Komm!» und «Hierher!» keine Bitten, sondern Befehle sind, die befolgt werden müssen. Bei unserem alten Hund setzte dieses «selektive Hören» gerade wieder ein. Nicht aus Ungehorsam, sondern es war schlicht eine Alterserscheinung. Die ersten Male, als Ben nicht wie gewohnt hörte, haben wir uns geärgert und gedacht: «Was ist denn bloss heute mit ihm los? Warum gehorcht er nicht?» Nach einer Weile haben wir es dann begriffen und unseren Umgang mit Ben ein wenig umgestellt. Zuhause wurde das selektive Hören von uns manchmal einfach ignoriert (ja, in der Hundeerziehung ist Konsequenz das Zauberwort), dann blieb er eben im Garten stehen. Manchmal musste man hingehen und den Hund anstupsen. Allerdings erschreckte er sich dann ab und zu, sodass wir um ihn herum gingen, damit er uns wahrnahm, und ihn dann anstupsten, wenn er mitkommen sollte. Überhaupt die Augen: auf etwas mehr Entfernung sah er immer schlechter, sodass wir ausladende Winkbewegungen machten, statt wie früher nur kurze Fingerzeige. Die Nase funktioniert allerdings noch hervorragend. Sei es beim Spaziergang oder zuhause – er fand problemlos jeden Krümel auf dem Boden und draussen filtert er die Luft nach interessanten Gerüchen. Nachts musste er – auch das erinnerte an die jungen Jahre – einmal häufiger vor die Tür. Das war für uns völlig in Ordnung, man kannte es ja.

Sogar die Urlaubsreisen stimmten wir auf den alten Hund ab. Im Sommer ging es in die Elbtalaue, für Ben insofern ein Paradies, als dass es dort von schnatternden Wasservögeln nur so wimmelt. Es war wirklich ein schönes Schauspiel: Ging es nur durch den Wald, gab es hier und da sicherlich interessante Fährten zu beschnuppern. Während Ben die frische Waldluft eher gelassen hinnahm, wurde der Retriever um Jahre jünger, sobald Wasser in Sicht kam und wir an den Rand eines Sees traten. Wie ein Junghund zu seinen besten Zeiten witterte er aufgeregt in Richtung Wasser, war kaum dazu zu bringen, sich hinzusetzen, geschweige denn, dass er sich hinlegte, damit wir den schönen Blick geniessen konnten. Der sonst so ruhige Hund sah uns flehentlich an, warum denn nichts passierte. Keine Flinte, keine Jagd? Wir mussten darüber lächeln, Ben fand es indes unbegreiflich, die Enten nicht apportieren zu dürfen.

Ersatzdienst für den «alten Herrn»

Nun war der Labrador also ein echter Pensionär. Manchmal nahmen wir ihn mit zum Ansitz auf Schalenwild, was ihm – obwohl er ohne Wasser und Enten auskommen muss – eine riesige Freude bereitete. Da wurde erlegtes Rotwild bewindet oder am Träger malträtiert und Kälber sowie Frischlinge schon mal Richtung Auto «vorgerückt».

Auch hier schien der alte Hund wieder ins Junghundealter zurückzufallen. Mit der Standruhe – früher kein Problem – war es spätestens dann vorbei, sobald ein Schuss fiel. Durfte Ben sogar noch einige Meter «nachsuchen» und das Stück finden, war er in seinem Element, auch wenn dies nicht seine vorrangige Bestimmung war. Ohne seine Hilfe hätten wir dies natürlich nie geschafft, sagte uns sein freudiger Blick dann.

Da der alte Hund kein «Entenapporteur» mehr war, beschäftigten wir ihn mit Alternativen. Jeden Tag, wenn ich nach Hause kam, war sein erster Weg zum Auto. Dort wartete er, ob es nicht etwas mit ins Haus zu tragen gab. Hatte ich eingekauft, fand sich das eine oder andere Päckchen, das Ben auch ohne Kommando aufnahm und hinein bringen durfte. Und sollte der Wagen einmal leer sein, musste das Portemonnaie oder der Taschen-Kalender als «Apportl» herhalten.

Ausdrücklich seinetwegen inszenierten wir manchmal kleinere «Treibjagden». Völlig egal, ob diese im heimischen Garten oder im Revier stattfinden, ob keine Schüsse fielen (Garten) oder es doch zwei, drei Mal knallte (Revier). Er wurde dann auf ausgelegtes Wild geschickt oder fand auch schon mal «zufällig» zwei Enten, die, korrekt gezählt, monatlich immer wieder erlegt wurden...

In die Jahre gekommene Vierbeiner verdienen genauso viel Aufmerksamkeit wie junge Hunde – schliesslich haben sie uns lange Zeit zuverlässig bei der Jagd unterstützt. (Bild: Katrin Burkhardt)

Freu(n)de auch im Alter

Manchmal kamen mir Gedanken wie: «Ist dein Hund auch glücklich und zufrieden, wenn er nicht mehr jagen darf?» Doch wenn ich ihn dann beim Spazieren gehen sah, wie er noch richtig «gut drauf» war, oder ich abends an seinen Korb trat, ihm – echte Rüdemänner mögen mir verzeihen – gute Nacht sagte und er mir dann die Hand ableckte, dann wusste ich, dass wir zwar einen Pensionär hatten, der vielleicht für die Jagd nicht mehr einsetzbar war, aber der für uns gearbeitet, grosse Werte an Wildbret zugetragen und immer seinen Dienst versehen. Jetzt waren wir in der Pflicht ...

  • Hilfestellung für den Alltag
    Genau wie bei einem Junghund muss man sich umstellen, wenn der eigene Hund alt wird. Damit seine Lebensfreude erhalten bleibt, kann man ihn jedoch mit kleinen Mitteln und Tricks zufriedenstellen:
    – Haben Sie einen Apportierhund zu Hause, geben Sie ihm alternative Aufgaben wie Einkäufe ins Haus tragen, Schuhe bringen, die Zeitung holen, Kaminholz oder das Portemonnaie tragen.
    – Ist Ihr Hund ein Schweissexperte, ziehen Sie Ihr erlegtes Stück doch ein paar Meter. Lassen Sie ihn wie in guten alten Zeiten das Stück suchen und freuen Sie sich mit ihm, wenn er sein Erfolgserlebnis hatte.
    – Durfte Ihr Hund bisher auf der Revierfahrt auf dem Beifahrersitz Platz nehmen, lassen Sie ihm dieses Vorrecht, auch wenn schon der nächste, junge Hund dabei ist.
    – Nehmen Sie Ihren vierläufigen Jagdhelfer so oft wie möglich mit ins Revier. Wittern, Wechsel absuchen und interessante Fährten verfolgen kann auch ein älterer Hund.
    – Haben Sie bereits einen Welpen dazugeholt, lassen Sie den Alten einen Teil der Erziehung übernehmen. Viele junge Hunde gucken sich das Verhalten der Alten ab und lernen von ihnen. Das kann mitunter sehr hilfreich sein, zum Beispiel beim Abrichten. Machen Sie sich gleichzeitig seine Vorbild-Funktion zunutze, zum Beispiel: Der Alte bringt dem jungen Vierbeiner die Wasserfreude bei usw.
    – Kommt ein Welpe ins Haus und Ihr alter Hund ist noch da, ziehen Sie so oft es geht den Alten vor, damit er nicht das Gefühl hat, abgeschoben zu werden. Das kann auch eventuellen Rangfolgestreitigkeiten vorbeugen.

Text: Katrin Burkhardt
Hauptbild: Katrin Burkhardt


Ein alter Hund – was nun?

Bei Hunden ist es wie beim Menschen: Je älter sie werden, um so mehr Gebrechen, Wehwehchen und Leiden bekommen sie. Das Aufstehen fällt morgens schwer, es wird viel geruht und Augen und Ohren lassen in ihrer Schärfe nach. Dies ist alles kein Grund, seinen Hund als «Altlast» anzusehen.

Welch grosse Hilfe war er schliesslich für uns während der letzten Jagdjahre? Oder hätten Sie sich gern ins eiskalte Wasser gestürzt, um geflügelte und tote Enten zu suchen? Sicher mag dies niemand tun, schon gar nicht mit der Freude, die unsere vierläufigen Jagdhelfer dabei zeigen. Oder robben Sie mit Vorliebe durch den Mais und zugewachsenes Dickicht, um eine Rotte Sauen zu sprengen? Auch diesen Job überlässt jeder Weidmann gern seinem Hund. Wie viele Stücke haben wir dank unseres Hundes schon gefunden, wenn der Schuss einmal nicht perfekt sass?

Natürlich haben wir sie auch und bilden sie dafür aus: Sie sollen uns bei der Jagd «zur Hand» gehen und uns unterstützen. Ist es zu viel verlangt, seinen Hund rechtzeitig zu pensionieren, um es ihm zu ersparen, dass er sich bis zuletzt verausgabt? Ihm Dankbarkeit zu zeigen, indem er einen ruhigen Lebensabend mit uns verbringen darf, auch wenn er «ausgedient» hat? Wir würden uns schliesslich auch ein würdiges Ende wünschen. (Katrin Burkhardt)

Zurück zur Startseite

Möchten Sie weiterlesen?

Der von Ihnen gewünschte Artikel ist für Abonnenten kostenlos, für alle anderen kostenpflichtig. Um weiterzulesen, müssen Sie sich als Abonnent anmelden oder den Artikel kaufen.