Gemeinsam für Lebensräume und Wildtiere einstehen
Mitte Juni lud der nationale Jagdverband JagdSchweiz zur 15. Delegiertenversammlung ein. Das revidierte Jagdgesetz war wieder ein viel diskutiertes Thema. Dieses wird in zwei Teilen in Kraft gesetzt.

Am Samstag, 17. Juni, fand inmitten der Altstadt von Fribourg die 15. Delegiertenversammlung (DV) von JagdSchweiz statt. Präsident Toni Merkle führte in zügiger und kompetenter Manier durch den Anlass. Er durfte 82 Delegierte aus den verschiedenen Jagdvereinen und -verbänden, viele Gäste sowie Lokal- und Nationalpolitiker begrüssen. Die Bläsergruppe Hubertus und «Les Armaillis de la Gruyère» begleiteten den Anlass musikalisch.
Das revidierte Jagdgesetz
«Viel ist passiert in diesem Jahr», sagte Toni Merkle in seiner Begrüssungsrede. Er kam rasch auf den aktuellen Stand bezüglich Jagdgesetzes, dem «Piece de Résis-tance», zu sprechen. Anfang Jahr hatten sich Vertreter von JagdSchweiz mit der BAFU-Führung (Bundesamt für Umwelt) getroffen und ihnen die Wünsche und Forderungen vom Verband dargelegt. Für den Herbst 2023 ist die Vernehmlassung vorgesehen. «Wir werden sehen, welche unserer Vorschläge aufgenommen wurden», meinte Toni Merkle. «JagdSchweiz wird eine entsprechende Stellungnahme vorbereiten und diese den Mitgliederorganisationen zur Vernehmlassung schicken», so der Präsident. «Mit dem revidierten Jagdgesetz können wir Jäger sehr gut leben. Insbesondere weil Anliegen, welche uns bei der vormaligen Revision wichtig waren, nun berücksichtigt wurden.» Zudem schätzt er, dass nach dem unangenehmen Abstimmungskampf von vor drei Jahren der positive Dialog mit den Umweltorganisationen wieder aufgenommen werden konnte und sie gemeinsam für die Lebensräume der Wildtiere einstehen.
Die revidierte Jagdverordnung werde einige positive Aspekte für die Jagd schaffen. Dennoch wird sie die Schweizer Jägerinnen und Jäger auch mehr in die Pflicht nehmen und Regulierungen bringen, welche den einen oder anderen nicht gefallen werden. «Wir setzen uns jedenfalls für eine positive Lösung für unser Wild, dessen Lebensraum und die Jagd ein», hält Toni Merkle fest.
Moderne Jagdauffassung
Des Weiteren kam der Präsident auf den Jagdbarome-ter zu sprechen (JAGD&NATUR berichtete in der Ausgabe 7/2023). Auch wenn die Umfrage für die Jagd wieder positiv ausfiel, dürfe nicht auf den Lorbeeren ausgeruht werden. «Eine gesunde Portion Selbstkritik ist angebracht.» Zudem ermahnte er die Anwesenden, nicht bei jedem jagdkritischen Artikel in Panik zu verfallen. «Stehen wir dazu und stellen fest: ‹Ich jage und habe Freude.›» Zu einer modernen Jagdauffassung gehöre die Bereitschaft, umzudenken, teilweise auch zu verzichten und offen zu sein für neue Formen des Wildmanage-ments. Damit kam Toni Merkle auf das Thema Prädatoren in der Schweiz zu sprechen. Ausgerottet wurden Bär, Wolf und Luchs aufgrund konsequenter und nicht nachhaltiger Jagd. «Damals war der Kampf um die Beute lebensentscheidend», meint Toni Merkle. «Aber heute ist das anders. Mit unseren gesunden Schalenwildbeständen sind auch die Prädatoren zurückgekehrt. Sie haben klar eine Daseinsberechtigung und insbesondere eine Rolle in der Wildbahn. Wenn wir als gute Naturschützer und Anwälte der Wildtiere auftreten und das Recht auf Beute beanspruchen wollen, müssen wir lernen, die Beute zu teilen», erklärt er. Nur in Kombination mit grossem Engagement für die Hege und Pflege der Wildtiere und deren Lebensraum werde das Jagdhandwerk und die -passion weiter geachtet und respektiert. Der Wolf soll weder idealisiert noch verteufelt werden. Wir sollten ihn hegen und pflegen und dazu gehöre auch die Regulierung. «Genau diese Möglichkeit haben wir mit dem neuen Jagdgesetz geschaffen», sagt Toni Merkle. Es kann sogar in den Wolfsbestand eingegriffen werden, wenn die Schalenwildbestände regional zurückgehen. «Mit diesem Artikel müssen wir verantwortungsvoll umgehen. Die Jagd ist wichtig, um in einer dicht besiedelten und immer stärker genutzten Kultur-landschaft eine austarierende Wirkung auf die Biodiversität wahrzunehmen.» Die Jagd in der Schweiz findet ausschliesslich nach ökologischen Grundsätzen statt. Mit dem neu formulierten Artikel 3 im Jagdgesetz werde dieser Grundsatz sogar vertieft.
Aktivitäten und Projekte
Von der Jagdpolitik zurück zur Tagesordnung: Die ordentlichen Traktanden der Delegiertenversammlung wurden diskussionslos verabschiedet. Die Jahresrechnung schloss mit einem Ertragsüberschuss von 35 924 Franken ab. Das Budget 2023 liegt im Rahmen des Vorjahres und geht von einem Aufwand von 567 500 Franken sowie einem Ertrag von 547 000 Franken aus. Das Eigenkapital lag per 31. Dezember bei 200 291 Franken. Ein weiterer Punkt auf der Traktandenliste war das Tätigkeitsprogramm 2023. Das wohl grösste und intensivste Projekt von JagdSchweiz seit dessen Bestehen, das Handbuch «Natur & Abenteuer», wurde im März abgeschlossen. Gemäss Pascal Pittet, Vorstandsmitglied von JagdSchweiz und Präsident Diana Romande, sei das Projekt mit einem grossen Budget «perfekt umgesetzt und vollständig finanziert» worden. Mehr als 2000 Bücher wurden in den ersten drei Monaten verkauft. Jedoch hätten laut Pascal Pittet die Jagdkreise die Bedeutung von «Natur & Abenteuer» noch nicht verstanden. «Leider spielen die Verbände und Sektionen, vor allem in der Deutschschweiz, noch keine aktive Rolle und investieren noch zu wenig in dieses Medium», sagt das Vorstandsmitglied.
Toni Merkle kam danach auf die Natur- und Erlebnismesse Monatura zu sprechen, welche im März in Bern durchgeführt wurde (JAGD & NATUR berichtete in der Ausgabe 5/2023). Nur 14 000 Besuchende fanden den Weg nach Bern. 140 Ausstellende waren vor Ort, darunter JagdSchweiz, zusammen mit den Schweizer Jagdmedien. Der Jagdverband entschied, von einer künftigen Teilnahme abzusehen, da die Messe aktuell keine nationale Ausstrahlung aufweise. Der Vorstand will seine Aktivitäten in andere Projekte investieren wie beispielsweise in ein nationales Bläserfest, ein Forum für Jungjäger oder in die Unterstützung der kantonalen Verbände bei lokalen Ausstellungen.Die Delegierten entschieden an der DV zudem über einen Beitrittsgesuch des neu gegründeten Verbands der Greifen-Haltenden. Die Schweizerische Falknervereinigung, seit Jahren ein B-Mitglied von JagdSchweiz, ersuchte, die Entscheidung um ein Jahr zu verschieben. Der neue Verband sei frisch gegründet worden und allgemein für Greifvogelhaltende gedacht. Es gäbe noch keine gemeinsame Haltung zwischen den beiden Vereinen. Dem Antrag wurde stattgegeben.
Erfolg des Arten- und Naturschutzes
Zum Schluss der Versammlung teilte Reinhard Schnidrig, eidgenössischer Jagdverwalter, die neuesten Informationen aus der Nationalen Jagd- und Wildtierschutzpolitik mit den Anwesenden. In dieser Funktion sprach er zum letzten Mal an der DV von JagdSchweiz, da er per Ende April 2024 seinen Rücktritt einreicht. Auch er bezog sich in seinen Ausführungen auf die Revision des Jagd-gesetzes. Mit der Revision wurde ein Weg gefunden, um mit gewissen Tierarten, die Konflikte verursachen können, umzugehen. «Sehr oft sind es diese Arten, die eigentlich einen Erfolg des Art- und Naturschutzes darstellen», so der Jagdverwalter. Beim Wolf gebe es momentan einen exponentiellen Zuwachs von 50 bis 60 Prozent pro Jahr. Als Beispiel einer erfolgreichen proaktiven Regulation nannte er den Steinbock. Der Bestand verdoppelte sich in den vergangenen 30 Jahren. Das sei ein gutes Beispiel für einen erfolgreichen Naturschutz, und das müsse für den Wolf auch gelten.
«Gewisse Erfolge im Naturschutz haben aber auch eine Kehrseite und wir müssen fähig sein, uns umzustel-len und damit umzugehen.» Reinhard Schnidrig kam damit auf den Artikel 7a Abs. 3 des neuen Jagdgesetzes zu sprechen. Der besagt, dass die Kantone vom Bund finanzielle Unterstützung an die Kosten für die Aufsicht und die Durchführung von Massnahmen zum Umgang zum Beispiel mit dem Wolf erhalten. Das sei zwar gut, aber trotzdem erfülle es den Jagdverwalter mit Sorge. Es würden gewisse Pflichten auf die Jägerschaft zukommen, denn nach Bundesrecht können diese beauftragt werden, bei der Regulation geschützter Arten mitzuhelfen. JagdSchweiz müsse sich zu diesem Thema dann positionieren.
Reinhard Schnidrig teilte zum Schluss mit, dass das revidierte Jagdgesetz in zwei Teilen in Kraft gesetzt wird. Der erste Teil, der unter anderem die Wolfbestandesregulierung und den Herdenschutz beinhaltet, werden auf den 1. Dezember 2023 in Kraft gesetzt. Der Druck war gross, dass eine Regulierung bald möglich ist. Ob dies auch so schnell umsetzbar sein wird, werde sich zeigen. Der zweite Teil der Inkraftsetzung wird wahrscheinlich am 1. Januar 2025 erfolgen.
Text: Nathalie Homberger
Bild: Markus P. Stähli
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