Wald-Wild-Konflikt deutlich entschärft
Die Wald-Wild-Lebensraumkommission des Kantons St. Gallen zeigt bezüglich der Wald-Wild-Konfliktsituation den «Weg zum Erfolg» auf.
Regierungsrat Beat Tinner begrüsste Ende Juni die Medienvertreter sowie die Mitglieder der Wald-Wild-Lebensraumkommission (WWLK), die Vertreter des Amts für Natur, Jagd und Fischerei (ANJF) und des Kantonsforstamtes im Wald oberhalb des Rorschacherbergs. Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements des Kantons St. Gallen führte aus, die WWLK sei 2012 von seinem Vorgänger Benedikt Würth ins Leben gerufen worden im Bestreben, die Lösung des Wald-Wild-Lebensraumkonfliktes tatkräftig zu unterstützen. «Und», so Beat Tinner, «die Arbeit der WWLK hat Früchte getragen. Im Jahr 2015 hat die WWLK den ‹St. Galler Massnahmenplan für einen nachhaltigen Umgang in der Thematik› erlassen.» Im Rahmen der Hauptziele ‹Optimierung der ökologischen Lebensraumqualität›, ‹Dem Lebensraum angepasste Wildbestände›, ‹Optimierung der Kommunikation, Zusammenarbeit und Weiterbildung› wurden die Massnahmen definiert und der Umsetzung zugeführt.
Reaktivierter Kommissionsauftrag
Vor rund vier Jahren vorübergehend sistiert, hat Beat Tinner die Kommission 2020 mit einem angepassten Auftrag wieder reaktiviert: «Hauptaufgabe ist heute noch die Überprüfung der Zielerreichung des Massnahmenplans, aber vor allem auch das gemeinsame Verständnis für Fragen im Bereich des Wald-Wild-Lebensraums und eine gute Zusammenarbeit und der Aus-tausch unter den beteiligten Organisationen.»
Sechs Erfolgsfaktoren verbesserten die Situation
Inzwischen konnte der Konflikt dank der guten Zusam-menarbeit und dem konstruktiven Dialog, was alle Beteiligten immer wieder explizit betonen, deutlich entschärft und die Situation verbessert werden. Dazu tru-gen sechs Erfolgsfaktoren bei, wie Thomas Unseld, Generalsekretär des Volkswirtschaftsdepartements und Präsident der WWLK, erläuterte:
1. Zusammenarbeit: Ein Schlüsselfaktor für erfolgreiches Handeln in Spannungsfeldern liegt in einer guten Kommunikation. Sie basiert auf gemeinsamen Begehungen der Akteure im Feld, der gemeinsamen Festlegung konkreter Massnahmen vor Ort, der Umsetzung von messbaren Resultaten.
2. Lebensraumpflege: Waldpflege bedeutet grundsätzlich mehr Licht im Waldbestand sowie eine höhere Vielfalt an Baum-, Pflanzen- und damit Tierarten. Ziel ist ein natürlicher, an den Standort angepasster Wald. Die nachhaltige Waldbewirtschaftung ist ein Erfolgsfaktor, der die natürliche Verjüngung ermöglicht und damit Strukturreichtum und wildfreundliche Bedingungen schafft.
3. Jagd: Die Regulierung der Wildbestände trug wesentlich zur Erfolgsgeschichte bei. Es wurden Schwerpunkt-bejagungsgebiete eingeführt und der Abschuss weiblicher (reproduzierender) Tiere erhöht. Gamsabschüsse wurden vorrangig im Wald getätigt und sogar während der Schonzeit bewilligt. Alle Massnahmen erforderten die erfolgreiche Zusammen-arbeit von Jagdbehörde, Jagdgesellschaften und Forst.
4. Naturereignisse: Sie gehören im Wald zum natürlichen Entwicklungsprozess: Stürme, Lawinen oder Insektenmas-senvermehrungen führen zu einer plötzlichen Veränderung der Waldstruktur. Für die Forstwirtschaft stellen Stürme und deren Folgen wie Borkenkäferbefall eine grosse Herausforderung dar, die Biodiversität hingegen konnte profitieren.
5. Luchs: In der Wald-Wild-Diskussion spielt der 1971 erstmals in Obwalden und in den Jahren 2001 bis 2012 im Kanton St. Gallen angesiedelte Luchs eine zentrale Rolle. Zusammen mit strengen Wintern reduzierte dieser den Reh- und Waldgamsbestand.
6. Lebensraumbeurteilung: Die «Lebensraumbeurteilung» erfolgt im Vier-Jahres-Rhythmus vom Forstdienst in Zusammenar-beit mit der Wildhut und den Jagdgesellschaften. Falls notwendig, werden Massnahmen zur Verbesserung der Situation vereinbart. Der flächendeckende Überblick der Verbisssituation hat sich über die drei Erhebungen unterschiedlich entwickelt, aber die Verbissflächen haben tendenziell abgenommen.
Luchs und Jagd
Vor Ort auf der Waldfläche ging Dominik Thiel, Leiter des Amts für Natur, Jagd und Fischerei, auf die «Erfolgsfaktoren» Luchs und Jäger – zwei Prädatoren – ein. Wenn auch nicht immer zur Freude der Jagdausübenden, so habe der Luchs doch dazu beigetragen, die Wildbestände teilweise massiv zu reduzieren. Reh- und Gamsbestände hätten sich in bestimmten Gebieten halbiert. «Quasi als Ausgleich haben die Rotwildbestände deutlich zugenommen», weiss der Amtsleiter zu berichten. Mit der Reduktion bei Reh und Gams habe sich die Situation bei der Weisstannen-Verjüngung stark verbessert. Auf die Frage, ob denn das Luchsvorkommen – in 79 Jagdrevieren kommt er vor, in 65 nicht – bei der Abschussplanung berücksichtigt werde, erklärte Dominik Thiel: «Indirekt ja. Natürlich nicht in dem Sinne, dass pro Luchs, der im Revier vorkommt, eine bestimmt Anzahl Rehe weniger geschossen werden müssen. Aber doch so, dass wenn der Wildbestand klar sinkt beziehungsweise die Strecke bedeutend geringer wird, man über die Bücher gehen muss.» Es sei wichtig, so Thiel, die Kooperationen und Austausch mit den Jagdpächtern zu pflegen. Und zwar vor Ort, nicht vom Bürotisch aus.
Auch die Forstseite für ein «Miteinander»
Veneziani Maurizio und Pascal Gmür, beides Forstingenieure beim Kantonsforstamt, sowie Revierförster Sebastian Lanker bestätigten den positiven Trend im Wald-Wild-Konflikt. Sie erwähnten die Wichtigkeit des «Miteinanders» und zeigten sich überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. Revierförster Lanker ging auf die Lebensraumpflege mit Schwerpunkt Diversität und Nachhaltigkeit ein, Maurizio auf die positiven Auswirkungen von Naturereignissen, etwa auf das Nahrungsangebot der Wildtiere, und Pascal Gmür auf die gutachtliche Methode zur Beurteilung des Lebensraums Wald sowie die jährlich stattfindenden Treffen mit den Jagdgesellschaften.
Der Weg zum Erfolg im Spannungsfeld Wild-Wald
Die sechs Erfolgsfaktoren sowie ein Rückblick und ein Ausblick sind kurz und übersichtlich in einer handlichen Broschüre zusammengefasst, die das Volkswirtschaftsdepartement Anfang Juli dieses Jahres publiziert hat. Vor der gemeinsamen Diskussion im Rahmen eines abschliessenden Apéros hielt Regierungsrat Beat Tinner das Schlusswort und bedankte sich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das Interesse. Auch wenn es noch Optimierungspotenzial gäbe, so habe die Wald-Wild-Lebensraumkommission WWLK die richtigen und zielführende Massnahmen gesetzt. Tinner: «Es ist nun wichtig, dass alle Beteiligten dazu beitragen, dass die bewährten Erfolgsfaktoren ihre Wirkung entfalten können.»
Text: Markus Meier
Bild: Markus Meier
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